Harderwijk. Geertje de Mos ist schockiert: Ihr Hund wurde beim Gassigehen von einem Wolf getötet. Experten rechnen mit weiteren Wolfsattacken.
Geertje de Mos kam oft und gerne in den Hundewald am Rand der 50.000-Einwohner-Stadt Harderwijk. Sie liebte ihre Touren durch den Forst, de Mos fühlte sich sicher – viele Spaziergänger sind dort unterwegs, Mountainbiker brettern durchs Gelände, Hunde dürfen im Strokelbos ohne Leine herumlaufen. Doch seit Samstag hat die Frau Angst.
Ihr Hund Bruno, ein zwölf Jahre alter Mischling aus Jack-Russel-Terrier und Dackel, ist dort brutal getötet worden. „Es war gegen 11.30 Uhr“, erinnert sich de Mos. „Ich folgte dem Weg und ging in den Wald. Bruno ging weniger als zehn Meter hinter mir. Dann passierte es. Ein Wolf packte Bruno mit dem Maul und rannte tief in den Wald.“ Bruno habe in Todesangst geschrien, schildert de Mos die dramatischen Augenblicke. „Ich habe noch nie einen Hund so ein Geräusch machen hören.“
Immer mehr Wolfsattacken verunsichern die Niederländer
Wieder werden die Niederlande von einem Wolfsvorfall verunsichert. Die Raubtiere breiten sich zwischen Maas und Nordsee aus, viele Holländer fühlen sich bedroht. „Aufgrund der zunehmenden Zahl von Wölfen und der Tatsache, dass sie sich immer mehr an die belebte Umwelt in den Niederlanden gewöhnen, kommt es immer häufiger zu Konfrontationen zwischen Wölfen und Menschen“, meldet die Provinz Gelderland, in der Harderwijk liegt.
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Die Regionalregierung in Arnheim sieht einen Zusammenhang zwischen der wachsenden Wolfspopulation und einer eklatanten Zunahme von Angriffen auf Nutztiere: Allein in den ersten sechs Monaten dieses Jahres wurden nach Angaben der Koordinierungsbehörde BIJ12 360 Attacken auf Vieh sowie auf Haustiere gemeldet. Im gesamten Jahr 2023 waren es demnach 399. Zwar investiere die Provinz einen Millionenbetrag in den Bau von Zäunen, um das Gelderländer Vieh zu schützen. Trotzdem stürben weiterhin Schafe, Rinder und Pferde auf den Weiden. „Gute Zäune“, so die Provinz in einer Mitteilung, „halten viele Angriffe ab, aber nicht 100 Prozent.“
Wolf nähert sich Kindern
Nicht nur Tiere, auch Kinder sind in Gefahr. Erst Anfang der Woche erlaubten die Behörden in der Provinz Utrecht den Besuch eines Naturparks, der seit Juli teilweise gesperrt war – weil ein Wolf nach Angaben der Eltern ein Mädchen bei einem Ausflug mit seiner Kindertagesstätte in den Oberschenkel gebissen hatte. Die Verwaltung riet außerdem davon ab, ein in der Nähe gelegenes Waldgebiet „mit kleinen Kindern zu besuchen“, nachdem dort ein Wolf ein Kind umgestoßen habe. Die Frage, die Politiker, Eltern und Tierschützer in dem kleinen Land emsig diskutieren, lautet: Wie sollen die Niederländer auf die Angriffe reagieren?
Klar ist: Abschießen geht nicht, denn Wölfe stehen unter Schutz. Einige Experten wie Dick Klees schlagen vor, mit Farbkugeln auf aggressive Tiere zu zielen. Ein „Schmerzanreiz“ werde ihnen beibringen, dass sie sich von Menschen fernhalten sollten, glaubt Klees. In den USA habe sich die Methode bewährt. Andere Wolfsfachleute sind skeptisch. Erwin van Maanen hält den Einsatz von Paintballpistolen für eine Quatschidee. „Das ist ein Kinderspiel“, höhnt er im Gespräch mit dem Regionalsender Omroep Gelderland. Er fordert, auffällige Exemplare zu Problemwölfen zu erklären und zu jagen. „Wölfe liegen mir am Herzen“, beteuert van Maanen. „Unschuldige Wölfe sollten auf keinen Fall erschossen werden. Aber wenn es gefährlich wird, müssen entschlossene Maßnahmen ergriffen werden.“
Wolfsexperte: Gelderländer Wolf wird wieder angreifen
Van Maanen erwartet, dass der Gelderländer Wolf nach der Attacke von Harderwijk erneut zuschlägt. „Wölfe sind intelligente Tiere. Sie testen neues Verhalten zunächst. Nachdem der Angriff auf den Hund erfolgreich war, wird der Wolf das nicht vergessen. Er wird wieder angreifen.“ Er wisse aus Osteuropa von Fällen, in denen Wölfe im Winter Hunde fressen. „Wenn es wenig Nahrung gibt, ziehen die Wölfe an die Ränder von Dörfern. Sie greifen dann Wachhunde an, sogar angekettete Rottweiler.“
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Holland, glaubt Dirk Bruins von der landwirtschaftlichen Vereinigung LTO Noord, sei schlicht zu klein für Wölfe: „Die Niederlande sind sehr dicht besiedelt und wir haben keine großen Naturschutzgebiete. Wir sollten mit der Regulierung nicht zu lange warten, denn sonst ist es zu spät.“
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Geertje de Mos hofft, dass ihr geliebter Bruno das letzte Hundeopfer gewesen sein wird. Sein Tod war schmerzhaft: Eine tierärztliche Untersuchung ergab Verletzungen an Speiseröhre, Bauchspeicheldrüse und am Unterleib. De Mos ist tieftraurig. Den Hundewald von Harderwijk, sagt sie, werde sie nie wieder betreten.